Rituelle Schlachtungen von Rindern, Schafen und Ziegen ohne Betäubung dürfen in Europa nur in zugelassenen Schlachthöfen durchgeführt werden. Laut einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg (Urteil in der Rechtssache C-426/16) beeinträchtigt diese Verpflichtung nicht die Religionsfreiheit, da sie die freie Vornahme von rituellen Schlachtungen nur organisieren und dazu Vorgaben technischer Natur geben soll, und zwar unter Berücksichtigung der wesentlichen Regeln für das Tierwohl und die Gesundheit der Tierfleischkonsumenten. Eine rituelle Schlachtung in „temporären Schlachtstätten“ ist infolgedessen ausgeschlossen.
Ab 1998 durften nach den belgischen Rechtsvorschriften durch einen religiösen Ritus vorgeschriebene Schlachtungen nur in zugelassenen Schlachthöfen oder „temporären Schlachtstätten“ durchgeführt werden. Der zuständige Minister hatte jedes Jahr „temporäre Schlachtstätten“ zugelassen, die es zusammen mit den zugelassenen Schlachthöfen ermöglichten, die rituellen Schlachtungen während des islamischen Opferfests sicherzustellen, wodurch die – infolge der während dieses Zeitraumes höheren Nachfrage – fehlende Kapazität der zugelassenen Schlachthöfe ausgeglichen wurde.
In 2014 kündigte der für das Tierwohl zuständige Minister der Flämischen Region an, keine Zulassungen für „temporäre Schlachtstätten“ mehr zu erteilen, und begründete dieses damit, dass solche Zulassungen gegen EU-Rechtsvorschriften, insbesondere gegen die Bestimmungen der Verordnung aus 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung, verstoßen. Ab 2015 durften somit alle Schlachtungen von Tieren ohne Betäubung – auch solche, die während des islamischen Opferfests stattfanden – nur noch in zugelassenen Schlachthöfen vorgenommen werden.
HINTERGRUND
In 2016 hatten mehrere islamische Vereinigungen und Moschee-Dachverbände die Flämische Region Belgiens verklagt ‒ sie stellten u. a. die Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1099/2009 in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. k, insbesondere im Hinblick auf die Religionsfreiheit (Art. 10 der Charta der Grundrechte der EU und Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention), infrage.
QUELLE:
- Pressemittelung Nr 69 des EuGH vom 29.05.2018
Univ.-Prof. Dr. Walther Heeschen
Dipl.-Ing. Agr. Jan Peter Heeschen